Geschichte und Entstehung
Der Ursprung des Boßelns ist das Klootschießen, das seine Anfänge als Sport oder Spiel vor ca. 400 – 500 Jahren in den nördlichen Küstenregionen Europas hatte. Zuvor wurde das „Kloot“ (Kluten = Erdklumpen) nach verschiedenen Theorien als Waffe benutzt. Klebriger Marschboden wurde zu Kugeln geformt und in der Sonne getrocknet oder später gebrannt. Mit diesen Geschossen erreichten die Küsten- und Marschbewohner mit verschiedenen Wurf- oder Schleudertechniken eine erstaunliche Treffsicherheit und waren somit in der Lage sich gegen Angriffe von Seepiraten und anderen Feinden zu wehren.
Eine weitere Theorie beschreibt das Klootwerfen zur Gewinnung von Strandgut als Feuerholz. Hierbei wurde eine Leine an den Lehmkugeln befestigt, um an der Küste treibende Holzstücke aus dem Wasser ziehen zu können. Beide Einsatzbereiche der Klootkugel erforderten von den Werfern eine hohe Präzision, die trainiert wurde, um das Überleben zu sichern. Erst mit dem Wegfall der direkten Lebensnotwendigkeit und der Einführung von moderneren Geräten und Waffen im Mittelalter entwickelte sich das Klootschießen zu einem Volksspiel.
Beim sog. Feldkampf standen sich hierbei zwei Parteien entgegen, deren beste Werfer das Kloot in möglichst wenigen Würfen über das kahle Feld ins Ziel bringen sollten. Damit die Kugel nicht durch die Wucht des Aufpralls im Boden verschwand und noch weit ausrollen konnte, wurde das Feldklootschießen ausschließlich im Winter bei klirrender Kälte und hartgefrorenen Äckern, Weiden und Gräben durchgeführt. Es wurden Spiel- und Kampfgemeinschaften gegründet und Wettbewerbe zwischen den Höfen, Dörfern und Kirchengemeinden ausgetragen. Um das nächste Dorf zu einem Wettkampf heraus zu fordern wurde in deren Wirtshaus ein „Kloot“ unter die Decke gehängt. Dieser wurde dann als Zeichen der Einwilligung von den Geforderten abgenommen und es wurden Ort und Termin vereinbart.
Die Begegnungen wurden bald mit so großer Leidenschaft ausgefochten, dass es zu ausartenden Gelagen und Triumphzügen der Sieger kam. Wegen der Alkoholexzesse und der Gefährdung der allgemeinen Ruhe und Ordnung wurde im 18.ten Jahrhundert das Klootschießen in vielen Regionen verboten, was den Friesen in seinem Spieltrieb natürlich nicht immer interessierte. Erst im 19. Jahrhundert wurden die Spiele unter Berücksichtigung der „Leibesertüchtigung“ und beim Ausbleiben von jeglichen „Nebenwirkungen“ wieder geduldet.
Ab 1850 entwickelte sich dann in Friesland die noch heute gültige neue Wurftechnik für das Klootschießen. Mit einem komplexen Bewegungsablauf erreichten die Werfer jetzt wesentlich größere Wurfweiten, als es die alte Wurftechnik erlaubte. Dies hatte allerdings auch zur Folge, dass der Sport nur noch von wenigen athletischen Spielern betrieben wurde und die Bedeutung des Klootschießens als Volkssport zurück ging.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gewann dann das Boßeln als weiterer Breitensport in Friesland an Bedeutung. Genauso wie das Klootschießen ist das Boßeln eine Wurfdisziplin, bei der es darauf ankommt die Kugel soweit wie möglich zu werfen. Mit dem Vorantreiben des Straßenbaus konnten nun auf befestigten Untergründen und Heerwegen immer größere Boßelweiten erreicht werden. Dies gefiel den Spielern und die neue Disziplin bestach auch dadurch, dass sie wie gewohnt von allen Altersgruppen mit der gleichen, einfachen Wurftechnik ausgeführt werden konnte. Das Boßeln wurde zum Ausgleichssport, der nicht auf gefrorenen Boden angewiesen war. Wenn zunächst hauptsächlich vor den Krügen und Gasthöfen der einzelnen Dörfer geboßelt wurde und dies natürlich wieder zu Wetten und üblen Rauferein führte, entwickelte sich das Boßeln bald zu Landpartien und die innere Ruhe und Ordnung blieb zusehends erhalten.
1902 wurde der Friesischen Klootschießer-Verband (FKV) gegründet, indem bis heute auch die Boßelspieler organisiert sind. Über 260 Vereine mit über 42.000 Mitgliedern treten heute regelmäßig auf Kreis, Landes und Verbandsebene gegeneinander an. Seit 1969 gibt es die „Internationale Bowl-Playing Association“ (IBA), die mit vereinheitlichten Bedingungen internationale Wettkämpfe ermöglichte.
Bei der 12. Boßel-Europameisterschaft im Juni 2004 nahmen die Verbände von den Niederlanden, Irland, Italien und Deutschland teil. Es kamen ca.15.000 Zuschauer nach Westerstede, um internationale Spitzenleistungen von ca. 200 Athleten zu verfolgen.
Das Boßeln wird, neben dem Leistungssport für eine kleine Sportler-Elite, in erster Linie als Breitensport für "Jedermann" betrieben. Auf den friesischen Straßen findet man heute Warnschilder, die Autofahrer auf Boßelspiele hinweisen. Boßeln ist eine traditionellen Freizeitaktivität von höchster Beliebtheit, die inzwischen von friesischen Abwanderern auch in andere Regionen und Länder gebracht wird.